Interview mit der Naturfotografin und Reisejournalistin Gabi Reichert

Gabi Reichert
Reisejournalistin und Fotografin Gabi Reichert

wanderspuren: Reisen oder Fotografie – was war bei euch zuerst da?

Gabi Reichert: Zuerst kamen die Reisen, aber eine Kamera war von Anfang an im Gepäck. Die Fotografie nahm jedoch mit jeder Reise mehr und mehr Raum ein.

wanderspuren: Kann man sagen, dass euch das Reisen fotografieren lässt oder reist ihr zum Fotografieren?

Gabi Reichert: Eindeutig beides! Kann ich einatmen ohne auszuatmen?

Reise-Kids: Schöner Vergleich. Du bist  ja nun schon seit vielen Jahren als Reisefotografin tätig. Wie hat sich das Handwerk aus deiner Sicht in den letzten Jahren verändert?

Gabi Reichert: Vor zehn Jahren war es wohl noch möglich halbwegs von der Fotografie zu leben. Das wird meiner Meinung nach zunehmend schwerer. Zum einen wird es einfacher hochwertige Fotos zu machen, weil die Kameras immer besser werden. Und zum anderen versuchen es immer mehr Leute, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Wir verbinden unsere Fotografie mit dem Bloggen und  schreiben für Magazine. Zu jedem unserer Kalender gibt es Geschichten und Hintergrundinfos und natürlich weitere Fotos der Region. Ich denke, dass man heute breiter denken muss und sich nicht auf ein Gebiet spezialisieren sollte.

Das Meer als großer Spielplatz
Das Meer als großer Spielplatz

wanderspuren: Du bist Landschaftsfotografin. Dein Fotoschwerpunkt liegt – wie unschwer zu erkennen ist – in der Küsten- und Meeresfotografie. Worin liegt die Faszination des Lebensraums Meer und Küste? Was fasziniert dich als Fotografin an diesen Landschaften? Oder anders gefragt: Was macht diese Regionen so fotogen?

Gabi Reichert: Es gibt wenig unberührte Natur. Das Meer ist gewaltig und kraftvoll, es lässt sich nicht leicht zähmen. Obwohl das auch hier und da versucht wird. Das mag ich an den Küstenlandschaften – sie sind oft wild. Außerdem ist es für die Fotografie von großem Vorteil, dass am Meer alles andauernd in Bewegung ist. Die Wellen kommen und gehen. Die Flut spült die Spuren im Sand weg, danach sieht alles wieder frisch aus. Dieser andauernde Wechsel ermöglicht eine kreative Fotografie. Es gibt einfach unendliche Möglichkeiten für ein Foto.

wanderspuren: Immer wieder faszinierend – ich möchte es als Kunst bezeichnen – finde ich deine Aufnahmen der Nordlichter. Wie schwer ist es aus Fotografensicht dieses Naturphänomen so überwältigend in Szene zu setzen?

Gabi Reichert: Wir machen seit sehr vielen Jahren Langzeitaufnahmen. Aus diesem Grund fiel es mir nicht schwer, Nordlichter zu fotografieren. Ich war an das manuelle Einstellen der Kamera gewohnt, konnte das fast im Schlaf, so war es auch in der Nacht und Kälte kein Problem mehr.

Ein paar extra Anforderungen gibt es natürich trotzdem an diese Art der Fotografie. Das Nordlicht ist eine schwache Lichterscheinung und erfordert nicht nur manuelles Scharfstellen des Fokus sondern auch sehr hohe ISO-Zahlen und gleichzeitig eine lange Belichtungszeit.

Wir beschreiben in unserem sehr umfassenden Nordlicht Tutorial, wie man solche Aufnahmen hinbekommt. Damit müsste es – die geeignete Kamera vorausgesetzt – jedem gelingen, selbst Nordlichtaufnahmen zu machen.

wanderspuren: Ebenfalls seit vielen Jahren gibt es alljährlich wunderschöne Kalender von dir zu den Themen „Küste“ und „Meer“.  Über welche Verlage und Vertriebswege kann man sie beziehen?

Gabi Reichert: Ich hatte letztes Jahr zum ersten Mal fünf eigene Kalender. Der Kalender „Sehnsucht nach dem Meer“ erscheint seit dem Jahr 2007 im Weingarten Verlag. Dann habe ich seit ein paar Jahren einen Leuchtturm Kalender bei Delius Klasing. Dieser ist übrigens mit QR Codes versehen, die zu ausführlichen Seiten im Blog verweisen. Dort gibt es Wissenswertes über den Leuchtturm, meine Geschichte zum Foto, kurze Zeitrafferfilmchen und weitere Fotos der Region.

Beim WeitSicht Verlag hatte ich für 2015 drei Kalender: Schottland, Norwegen und Meereswelten. Mir gefällt es sehr bei diesem Verlag, dass mit Biofarben auf Umweltpapier gedruckt wird.

Die Kalender gibt es in Buchläden, oder man kann sie dort bestellen. Außerdem gibt es sie in sehr vielen Onlineläden. Amazon und Weltbild zum Beispiel.

wanderspuren: Warum gibt es eigentlich noch keinen Bildband über deine Kunst? Es würde sicherlich nicht an Käufern mangeln.

Gabi Reichert: Ja, das wüßte ich auch gern! Wir haben bisher keinen Verlag gefunden. Vielleicht habe ich mich auch noch nicht mit dem richtigen Projekt bei den Verlagen vorgestellt? Aktuell haben wir unser erstes umfangreiches E-book auf unserem Blog!

Familie Reichert damals ...
Familie Reichert damals …

wanderspuren: Zurück zum Reisen. Ihr seid ja schon in der Welt unterwegs gewesen, als eure Kinder noch sehr klein waren und du kannst somit aus langjähriger Erfahrung sprechen. Was ist für dich demnach anders beim Reisen mit kleinen Kindern im Vergleich zum Reisen mit größeren Kindern und Jugendlichen?

Gabi Reichert: Zum einen wird es einfacher, weil die drei ja jetzt auf sich selbst aufpassen können. Zum anderen müssen wir auf fünf unterschiedliche Bedürfnisse eingehen. Was bei uns jedoch ganz gut funktioniert, weil wir schon seit 15 Jahren reisen. Mir persönlich gefallen die Reisen jetzt sehr gut. Wir sind ein eingespieltes Team voller Neugierde und Abenteuerlust, wir unternehmen lange Wanderungen oder kurze Radtouren und treffen interessante Menschen. Es macht Spaß mit der Familie auf Tour zu sein. Wir sind vor jeder Tour wieder neugierig, was auf uns zukommen wird und jedes mal werden wir überrascht – weil uns eine Region ausgesprochen gut gefällt, weil wir neue Orte kennenlernen oder neue Reisearten ausprobieren.

wanderspuren: Eine kleine Frage aus dem Bereich der Psychologie. Wie haben sich eure Kinder in einer – ich möchte mal sagen – „Normadenfamilie“ entwickelt? Sie sind ja seit vielen Jahren mit euch auf langen Reisen unterwegs. Wie stehen deine Kinder zum Reisen und welche emotionalen und geistigen Entwicklungschancen haben sie aus deiner Sicht durch das lange Unterwegssein?

Gabi Reichert: Durch die langen Reisen kennen wir uns extrem gut. Das hört sich zwar komisch an, weil man sich in einer Familie ja sowieso immer gut kennt. Bei uns ist es jedoch wesentlich intensiver. Auch die Geschwister kennen die Eigenheiten der anderen ganz genau. Sie verbringen ja unterwegs fast 24 h gemeinsam.

Die gemeinsamen Erfahrungen verbinden uns auf eine ganz besondere Weise. Die Musik, die wir unterwegs hören brennt sich nicht nur in ein Gehirn, nein, sie brennt sich in fünf. Läuft zum Beispiel Cat Stevens im Radio, denken wir alle gleichzeitig an Neuseeland. Beethovens 7. Sinfonie ist die Isle of Lewis und so weiter….

Die Kinder haben unterwegs mehr gelernt als man meinen möchte. Wir merken das nicht sofort, sondern erst nach Jahren. Es ist tatsächlich eine unglaubliche Vielfalt und Menge an Bildung, die auf Reisen ganz selbstverständlich und vor allem völlig mühelos aufgesogen wird. Bei Sprachen merkt man es natürlich ganz schnell. Englisch war nach der ersten langen Tour kein Problem mehr.

Die Kinder lernen auch, auf anderen Menschen zuzugehen. Sie sind nicht scheu, wir lernen andauernd neue Menschen kennen. Dadurch sind unsere Kinder sehr selbstbewusst.

Wir müssen auf Reisen mit wenigen Dingen auskommen. Zu viel wird zu Ballast. Dadurch merken wir, dass es zum glücklichen Leben nur sehr wenig braucht. Durch das Reisen mit dem Wohnmobil nutzen wir die Resourcen sehr bewusst. Heißes Wasser gibt es nur morgens zum Waschen. Wir können mit wenigen Litern Wasser die Haare waschen und spülen. Unser Umweltbewusstsein ist gut ausgebildet.

Unsere Kinder reisen mit zwei Fotografen. Sie haben, auch wenn sie selbst nicht fotografieren, den fotografischen Blick für die Welt. Sie nehmen extrem viel bewusst wahr und freuen sich an der Schönheit der Natur oder an der Bewegung der Wellen. Natürlich nehmen wir alle auch die negativen Seiten schnell wahr. So tut es uns zeitweise weh, den ganzen Müll an den Stränden zu sehen und räumen immer wieder Strände auf.

Überhaupt ist es gut so viel Zeit in der Natur zu verbringen. Wir können nicht jede Frage beantworten, die unterwegs aufkommt. Aber wir wissen wie man an die Antworten ran kommt. Ich denke, das ist im Leben wichtig – kein Angst davor den Dingen auf den Grund zu gehen und andere Menschen bitten einem zu helfen.

Die Kinder kommen mit vielen Kulturen in Kontakt, das macht sie weltoffener.

und Familie Reichert heute.
und Familie Reichert heute.

wanderspuren: Ich möchte dir so gerne noch tausend Fragen stellen, muss aber jetzt leider zum Ende kommen. Eine letzte Frage habe ich allerdings noch: Was möchtest du anderen Familien mit auf den Weg geben, die mit ihren kleinen Kindern reisen möchten, aber noch mit Unsicherheiten und Ängsten kämpfen? Welchen Tipp kannst du ihnen als erfahrene Reisemama geben?

Gabi Reichert: Für kleine Kinder ist es wichtig die Eltern um sich zu haben, da ist es egal wo man ist – hauptsache man ist zusammen. Aber auch das Reisen mit Teenagern kann aufregend sein, wenn auf die Bedürfnisse von allen eingegangen wird. Fragt Eure Kinder, was sie gerne unternehmen würden und findet einen Weg es zusammen zu machen! Je aktiver man als Familie unterwegs ist, desto besser!

wanderspuren: Vielen herzlichen Dank für dieses nette Interview und weiterhin viel Erfolg für dich, liebe Gabi, und wunderbare Reisen für euch als Familie.

Informationen zu Gabi Reichert und ihrer Familie findet ihr auf den Blogs

www.5reicherts.com und www.gabi-reichert.de

Alle Bilder dieses Interviews unterliegen dem Copyright von Gabi Reichert.

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2 Kommentare zu „Interview mit der Naturfotografin und Reisejournalistin Gabi Reichert“

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