Radtour mit Baby und Kleinkind auf dem Nordseeküstenradweg in den Niederlanden – Friesland via Callantsoog zur Insel Texel

Nach dem gestrigen Tag gönnen wir uns heute einen Tag Ruhe. Dieser verläuft dann auch ganz friedlich und harmonisch. Am Morgen unternehmen wir einen ausgedehnten Deichspaziergang und am Nachmittag bummeln wir ein wenig durch die Stadt. Das Wetter bessert sich schlagartig. Am Nachmittag wird es sonnig und außerordentlich warm. Den Ruhetag nutze ich, um zum zweiten Mal Wäsche zu waschen. Clara darf heute ausgiebig schlafen und Paul genießt die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Eltern.

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Auf der Strecke nach Callantsoog

Über den großen Abschlussdamm zu fahren reizt mich schon sehr. Deshalb beschließen wir, dass ich alleine mit dem Fahrrad nach Callantsoog zurückfahre und der Rest der Familie mit dem Bus nachkommt. Gesagt getan. Am nächsten Morgen breche ich mit meinem Fahrrad, jedoch ohne Gepäck, alleine auf.

Der große Abschlussdeich, der das Ijsselmeer von der Nordsee trennt, beläuft sich auf circa dreißig Kilometer. Hier fährt man auf einem Radweg immer schnurgerade entlang der Autobahn A7.

Am Ende des Dammes bei Den Oever treffe ich wieder auf meine Lieben. Wir haben diesen Treffpunkt ausgemacht, weil ich mir heute Morgen nicht ganz sicher war, ob ich die gesamte Strecke nach Callantsoog fahren möchte. Durch den enormen Adrenalinausstoß fühle ich mich noch topfit und weigere mich daher energisch in den Bus zu steigen. Wenn das mal kein Fehler war. Gleich hinter dem Ortsausgang von Den Over schlägt mir ein starker Gegenwind entgegen. Dieser begleitet mich auf den nächsten siebenunddreißig Kilometern wie eine lästige Fliege.

Auf der Strecke nach Callantsoog begegnet einem so manches holländisches Kleinod. Neben alten Windmühlen, Deichen und Kanälen kann man wunderschöne Blumenfelder, bäuerliche Dörfer und bezaubernde Alleen bewundern. Die LF 10 »Waddenzeeroute« schlägt auch hier mächtige Haken, so dass man trotz guter Beschilderung mit einer Straßenkarte sicherlich gut beraten ist. Oft verwirren einen die vielen Schilder mit den unterschiedlichsten Bezeichnungen anderer Nationalrouten.

Auf ein Neues – der Nordseeküstenradweg Richtung Texel

Radwegbeschilderung auf Niederländisch
Radwegbeschilderung auf Niederländisch

In Callantsoog angekommen befinde ich mich wieder in einem typischen Touristenort an der niederländischen Küste. Im Ortskern ist, auch bedingt durch ein Volksfest, kaum mehr ein Durchkommen. Am vereinbarten Treffpunkt, dem Campingplatz »Klein Begin« direkt im Dorf, ist es auch nicht gerade heimelig. Aus Erfahrung klug geworden, entscheiden wir uns lieber für einen Bauernhof am Rande des Dorfes. Doch auch hier fühlt man sich wie ein Hering in der Dose, da jeder Quadratzentimeter des  Hofgeländes ausgenutzt wird. Dennoch bleiben wir und nehmen einige Unannehmlichkeiten in Kauf.

Clara ist heute Morgen ungewöhnlich früh wach. Und wenn sie einmal „Piep“ sagt, kommt auch unser Sohn aus seinem Schlafsack gekrochen und erklärt die Nacht für offiziell beendet. Wir lassen uns heute Morgen alle Zeit der Welt mit dem Packen. Die heute geplante Strecke beläuft sich auf fünfundzwanzig Kilometer, was uns keine Kopfschmerzen bereitet. Das Wetter lässt sich heute wieder einmal schwer einschätzen. Ich gebe schon lange keine Prognosen mehr ab.

Auf dem Weg nach Den Helder
Auf dem Weg nach Den Helder

Die zwanzig Kilometer lange Strecke von Callantsoog nach Den Helder führt entlang der Dünen zum ersten Mal, seit wir in Holland sind, über leicht hügeliges Terrain. Auch wenn die Steigungen kaum der Rede wert sind, kommt mein Mann mit seinem Gespann, das circa hundert Kilogramm wiegt, mächtig ins Schwitzen.

Die Fähre, die unser zur Insel Texel bringen soll, ist größer als erwartet. Ein richtiger Hochseedampfer steht im Hafen von Den Helder zur Abfahrt bereit. Paul ist begeistert und Clara entgeistert. Die kurze Überfahrt von einer halben Stunde macht ein genaues Inspizieren des Schiffes leider unmöglich. Kaum haben wir das Oberdeck durchlaufen, müssen wir schon wieder hinunter ins Unterdeck, wo uns der Riese zusammen mit vielen anderen Passagieren am Heck des Schiffes wieder ausspuckt.

Die Insel Texel – ein niederländisches Kleinod

Wir haben noch keinen festen Boden unter den Füßen, da fallen schon wieder dicke Tropfen vom Himmel. Nach wenigen Minuten ist der Spuk jedoch wieder vorbei und die Sonne lacht vom trügerischen blauen Himmel. Wir verlassen den Fährhafen Richtung »Den Hoorn«, das nächstgelegene Dorf im Westen der Insel Texel. Dort angekommen picknicken wir  auf einem kleinen Spielplatz im Dorf. Mir schwant nichts Gutes, als ich dicke schwarze Wolken am Himmel aufziehen sehe. Gerade rechtzeitig, als wir fertig gegessen haben, beginnt es leicht zu tröpfeln. Schnell packen wir unsere Sachen zusammen und stellen uns im nahegelegenen Bushäuschen unter. Und dann beginnt etwas, was wohl jeden Radler mit Grauen erfüllt. Ein Wolkenbruch geht auf die Insel Texel und das kleine Bushäuschen nieder, der seines Gleichen sucht. Eine deutsche Familie, die auch mit dem Fahrrad unterwegs ist, sucht ebenfalls Schutz in diesem Bushäuschen.

Die Ortschaft Den Helder
Die Ortschaft Den Helder

Wäre die Sache nicht so unangenehm gewesen, so würde ich im Nachhinein sagen, war es eine nette Begegnung, denn wir haben über eine Stunde lang Radfahrererfahrungen ausgetauscht und uns die Wartezeit mit Keksen versüßt.

So stehen wir nun in diesem Bushäuschen und harren der Dinge die da kommen. Eines ist jedoch klar. Morgen werden wir die Heimreise antreten. Das Wetter wird hier nicht mehr besser. Das können wir uns noch wochenlang schön reden. Zum ersten Mal bekomme ich wirklich schreckliche Angst vor unserer geplanten großen Reise.

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