Fahrradtour mit Kleinkindern auf der schwedischen Insel Öland – Teil 2

Nächtliche RadansichtenUnsere Bitten um Sonne und regenarme Tage wurden vom öländischen Wettertroll leider nicht erhört. Als wir am nächsten Morgen aufbrechen, regnet es wieder. Auch wenn wir mittlerweile für solche unangenehmen Wetterlagen bestens ausgerüstet sind, macht es dennoch wenig Spaß unter diesen Bedingungen zu radeln. Unsere Kinder scheint das zum Glück weit weniger zu tangieren, da sich die beiden, bei offensichtlich bester Laune, den Fahrradanhänger und nebenbei noch eine große Tüte Gummibärchen teilen dürfen.

Erstaunlicherweise kommen wir im Regen, und beide Kinder im Anhänger verwahrt, schneller voran als bei schönem Wetter. Die Gelegenheiten für einen Stopp an lohnenswerten Spielplätzen oder in der Natur werden unter diesen Umständen so gut wie nicht in Anspruch genommen. Man fährt einfach in einer Art Trance (heutzutage sagt man flow dazu) weiter und weiter und weiter. Nass ist man sowieso schon, aber mit dem Absteigen und Pausieren spürt man es erst, da man sehr schnell zu frieren beginnt. So verläuft unser erster richtig verregneter Radeltag ohne interessante Vorkommnisse, außer der verblüffenden Tatsache, dass zwei kleine Kinder im Alter von zwei und vier Jahren in der Lage sind, auf einer Strecke von gerade einmal fünf Kilometern eine volle Tüte Gummipärchen komplett zu leeren. Okay, gesund ist das wohl nicht, aber es hält die Laune im oberen Positivbereich und Verdauungsprobleme konnten wir durch den übermäßigen Verzehr an Kohlenhydraten zum Glück nicht feststellen.

Die Windmühlen von LerkakaCharakteristisch für Öland ist die ungewöhnlich hohe Anzahl an Windmühlen. Das einstige bäuerliche Statussymbol der Insel, das im letzten Jahrhundert jedoch zunehmend an Bedeutung verlor, findet man auch heute noch in einer stattlichen Anzahl. Von einst über 2.000 Mühlen liegen heute noch etwa 400 auf der Insel verstreut, die mit viel Liebe und Hingabe für den Kulturerhalt Ölands gepflegt werden. Wir passieren auf unserem Weg in den Süden Ölands zahlreiche schöne Mühlen, so auch die fünf Windmühlen von Lerkaka.

Die Siedlungen verbindende Staatsstraße wird nach Süden kommend immer ruhiger und verkehrsärmer. Im Osten Ölands ist man als Radler fast noch alleine oder unter sich. Wir treffen auf dem Weg in den Süden mehr Fahrradfahrer als motorisierte Fahrzeuge. Kühe auf der Straße - auf Öland ganz normalUnd – was hier wohl niemanden verwundert – auch dann und wann Vierbeiner auf der Straße.

Durch den nicht enden wollenden Regen verbringen wir einige Zwangspausentage auf Campingplätzen, wo wir uns vornehmlich in den Aufenthaltsräumen aufhalten. Trotz – oder gerade wegen – unserem spärlichen Angebot an konventionellem Spielzeug, finden die Kinder immer etwas, womit sie sich die Zeit vertreiben können. Ein altes Sofa wird zur Hüpfburg, ein schäbiger Kleiderständer zum Steckenpferd und die alten Töpfe der spärlichen Kücheneinrichtung zum Schlagzeug.

Kröte auf WanderschaftIn den Regenpausen zieht es uns jedoch immer wieder nach draußen. Gerade durch das feuchte Klima kann man bei kurzen Spaziergängen viele interessante Tiere treffen, die bei Trockenheit selten unterwegs sind. So treffen wir auf unseren kleinen Wanderungen zahlreiche Schnecken, Würmer und Kröten, die unseren Weg kreuzen, was für die Kinder immer wieder neu und aufregend ist.

 Nach gefühlten drei Wochen – dabei waren es tatsächlich nur wenige Tage – erreichen wir den südlichsten Punkt der Insel. Unser Zelt schlagen wir an einem wunderschön gelegenen Campingplatz bei einem kleinen Dorf namens Ottenby auf. Von dieser Basis aus möchten wir die einzelnen Sehenswürdigkeiten der Gegend erkunden – soweit das Wetter dies zulässt. In den letzten vierundzwanzig Stunden hat es nicht mehr geregnet. Hat der schwedische Wettergott wohl ein Einsehen mit uns armen Radlern?

Südlich von Ottenby liegt ein Naturreservat mit Vogelwarte und Vogelmuseum, welches den Namen des Ortes trägt. Auf einer Fläche von mehr als 1.000 Hektar kann man die Arbeit und die Bemühungen der Ornithologen und Vogelschützer für die heimische Vogelwelt bewundern. Das dazugehörige Vogelmuseum ist klein, beschaulich, aber gerade deshalb sehr sehenswert. Das Museum und die Vogelschutzwarte befinden sich in der Nähe des Leuchtturms Långe Jan, dem wir selbstverständlich einen Besuch abstatten.

Ebenfalls sehr sehenswert die die stattliche Burganlage von Eketorp, eine wiederaufgebaute Festungsanlage, die in früheren Zeiten als Fluchtburg genutzt worden sein soll. Sie gilt als eine der bekanntesten Bauwerke der Insel.

Stora AlvaretVon hier aus begehen wir auf einer ganztägigen Wanderung die Agrarlandschaft Stora Alvaret, die sich über den gesamten inneren südlichen Teil Ölands erstreckt und damit ein Viertel der Insel einnimmt. Die Stora Alvaret wurde als größte naturbelassene Karstlandschaft Europas und größtes Alvargebiet der Erde von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt und darf daher nicht mehr verändert werden. Wer sich unter Alvar nichts vorstellen kann, hier die Definition:

Das Wort Alvar bezeichnete im Schwedischen ein baumloses, für Landwirtschaft ungeeignetes Land mit einer dünnen Vegetationsschicht auf felsigem Kalkuntergrund. Ein Alvar ist ein einzigartiges, in sich differenziertes Biotop mit einer charakteristischen Flora und Fauna.

Beginn einer TageswanderungDie Wanderung durch das Naturschutzgebiet Stora Alvaret ist für unsere naturbegeisterten Kinder eine wahre Freude. In der unendlich erscheinenden, verwilderten Landschaft haben sie viel Platz zum Toben und Springen. Ein bisschen Nervenkitzel gibt es auch, wenn wir hin und wieder an einigen Kühen vorbeigehen, die hier über den Sommer grasen dürfen. Und selbst in dieser öden Landschaft gibt es noch eine sportliche Herausforderung für junge Wanderer, da das gesamte Gebiet mit Steinmauern durchzogen ist, welche die unterschiedlichen Weidegründe voneinander abgrenzen. Der eher unsportliche Erwachsene wird natürlich die Holztreppen nehmen, die extra für Fußgänger angelegt wurden. Unseren Kindern ist das jedoch viel zu langweilig, und so kraxeln sie lieber über die Mauern zur nächsten Weide.

Tierische Ansichten auf ÖlandEine weitere – sicherlich schöne – Art das Stora Alvaret zu entdecken ist die west-ost verlaufende, ehemalige Eisenbahnstrecke zwischen Kastlösa und Skärlöv. Der Eisenbahndamm der 1961 stillgelegten Strecke dient heute als Rad- und Wanderweg.

In den Genuss, diese Strecke zu fahren, kommen wir leider nicht mehr. Nach weniger als drei Tagen ohne jeglichen nassen Gruß von oben, ändert sich die Wetterlage leider wieder. In zwei halben Tagesetappen radeln wir zügig zu unserer Basis, dem Kleinbus, zurück. Leider verpassen wir dabei, vom Regen angetrieben, den einzigen Kinder-Freizeitpark der Insel Öland, den Djur & Nöjespark in der kleinen Ortschaft Möllstorp Nahe der Ölandbrücke. Es ist ein Tier- und Vergnügungspark, dem ein Spaßbad angeschlossen ist.

Wir Erwachsenen sind jedoch der Meinung, dass unsere Kinder in ihrem Leben noch viele Freizeitparks besuchen können, und nass geworden sind wir in den letzten Tagen schon reichlich. Und wie es der Zufall so will – vielleicht ist der schwedische Wettertroll ein wenig zynisch – endet unsere Fahrradtour am letzten Abend mit Sonnenschein.

Das sonnige Ende einer Radtour

Mehr von unserer Langzeitreise und Schweden erfahrt ihr im Reisehandbuch „Mit Kindern die Welt entdecken„.

 

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